Jahresendpost

I. Politisches und Rechtliches

Zwei der drei Artikel dieses Jahres in diesem Blog sind sehr kritische gewesen, und so ist es vielleicht sinnvoll, dieses Jahr mit diesem zu beenden.

Ich hatte ja in einem jener Beiträge gesagt, einiges sei ungeschrieben geblieben. Vielleicht will ich es aber doch wenigstens ansatzweise benennen, um selber wirklich damit abzuschließen und die Gedanken wieder Neuem zuzuwenden. Ich sage nicht, daß das gut sei, es ist eine generelle Frage, ob man überhaupt über Negatives sprechen solle. Sie können natürlich, falls Sie nicht den Eindruck haben, das Folgende sei für Sie, auch einfach zu II. übergehen, oder etwas anderes machen, z. B. einen Spaziergang oder ein Friedensgebet sprechen…

Ich habe nichts zum teilweisen faktischen Niedergang rechtsstaatlicher Prinzipien (bedauerlicherweise, das ist das Schlimmste, auch auf der Ebene der Verfassungsgerichtsbarkeit, gerade auch was (allerdings geschah das schon im Vorjahr) das Verhältnismäßigkeitsprinzip und dessen Prüfung betrifft [so ließe denn auch ein faktischer Versuch eines nicht unbeträchtlichen Teiles der Parlamentarier, einem größeren Teil der Deutschen die Möglichkeit zu nehmen, frei über ihre körperliche Integrität zu entscheiden (die meisten werden wissen, wovon ich spreche – und die einen nun entrüstet sein und die anderen noch immer entsetzt, wie es fast soweit kommen konnte, und wie das von vielen als „ganz in Ordnung“ gesehen wurde, ja sogar gefordert, und die potentiellen Opfer zu den Bösen oder doch Törichten stilisiert) nicht allzulange auf sich warten, auch wenn er, Gott sei Dank, scheiterte], also eine wirklich essenzielle Grundlage Deutschlands als Rechtsstaat (Art. 20 III GG, s. a. Art. 79 III GG), und auch nichts zu der Idee, daß ein als „Deligitimierung des Staates“ gesehenes Verhalten zur Beobachtung durch den Verfassungsschutz berechtige. Man kann nur hoffen, daß künftige Verfassungrichter, Innenminister und Verfassungsschützer einmal den Rechtsstaat wieder höher halten werden [Lassen Sie es mich wissen, falls Sie mich nun auf Ihre „Liste“ gesetzt haben nach diesem Post, denn ich übe hier ja Kritik – allerdings, machen Sie sich dies bitte klar: Kritik nicht am Rechtsstaat, wie ihn das Grundgesetz vorsieht, sondern an einer Pervertierung des Rechtsstaates, und bis vor vielleicht zwei oder drei Jahren war das ja eher wünschenswert, daß Bürger, insbesondere auch Juristen, sich für das Recht wider dessen Perversion einsetzten], und man kann beten, daß jene, die aus Angst oder Überzeugung heraus mit Hilfe vorgeblichen (!) Rechtes die ihre über die ihrer Mitmenschen zu stellen versuchten (ob nun bewußt oder nicht), ein Einsehen erlangen werden.

Jeder der noch das Grundgesetz kennt und bereit ist, seinen Geist zu wahren, jeder der noch weiß, was Bürger- und Menschenrechte sind, jeder der wirklich in sein Herz schaut, wird sehen können, was in den letzten Jahren an Unrecht geschah oder doch umzusetzen versucht wurde.

Angst mag ein beherrschendes Thema gewesen sein. Aber es ist sehr wichtig, sich bewußt zu machen, was einen regiert: Die scheinbare Logik ist mitunter nur ein Versuch, in Angst begründete oder davon gesteuerte Ideen zu rechtfertigen. Wer andere zum Schuldigen macht um des eigenen Vorteils willen, unterscheidet er sich (vom Prinzip her, nicht natürlich im Ausmaß des hervorgerufenen Leidens vielleicht, aber das ist hier nicht de Punkt) wirklich so stark von jenem osteuropäischen „Bully“, der seinem Opfer erklärt, es müsse ja nur aufhören sich zu wehren und Unterstützung zu suchen und schon wäre es vorbei? Wenn man sich einmal auf einen solchen Pfad begibt und sich nicht wieder abkehrt, dann ist das ein sehr, sehr gefährlicher Weg.

Recht und Freiheit müssen diese bleiben, und sie bewähren sich, ebenso wie das Recht, in Krisenzeiten. Wer in Krisenzeiten aus utilitaristischen Gründen gegen das Recht verstößt und die Freiheit widerrechtlich beschneidet, entwertet deren Garantien.

Nehmen kann sie er natürlich nicht, aber ihren Ausdruck auf der physischen Ebene erschweren.

Möge sich die Erkenntnis vom Wert der Freiheit durchsetzen – einst wurde den Kindern beigebracht, daß Freiheit gerade auch die Freiheit des Andersdenkenden sei. Diese Erkenntnis habe ich insbesondere in den letzten zwei Jahren in Medien und Politik vermißt gehabt. Möge sie wieder hervorbrechen bzw. neu erwachsen.

II. Dichtung

Um mich Angenehmeren zuzuwenden: Ich wollte ja in meinen beiden „Hauptblogs“ aufeinander verweisen. In meinem englischsprachigen habe ich dieses Jahr nur einen eigenständigen Beitrag geschrieben, es kam unversehens ein Gedicht über grenzenlose Freude. Bei Interesse siehe hier.

Veröffentlicht von

A. M.

Autor. Dichter. Coach und Berater. Lehrer. Auch Jurist.

Reflexionen